Der Kurs Palliative Praxis 2014 in Tuttlingen.
Das hier ist Anna Müller.
Sie wurde von den Kursteilnehmern der Schulung Palliative Praxis sehr kreativ in Szene gesetzt und mit einer Biographie versehen. Wir begleiten sie in ihren letzten Lebenstagen und versuchen es ganz nach den Worten von Cicely Saunders zu halten: „Den Tagen mehr Leben geben“ – auch dort, wo das Leben nur noch wenige Tage hat.
Es ist ein großartiger Kurs und ich freue mich sehr über die positiv motivierten, sechzehn Teilnehmerinnen.
Besonders wichtig war es heute, einige, wichtige Möglichkeiten der Symptomlinderung kennen zu lernen und somit auch der Diskussion Sterbehilfe / Sterbebeistand einen Schwerpunkt und auch eine Richtung zu geben. Es gibt so viel, was man tun kann und wie man helfen kann, um die Lebensqualität zu erhalten und zu stützen. …
Aber nicht nur aller „Ernst“, sondern auch viel Spaß und ein paar vielleicht auch überraschende Selbsterfahrungsmöglichkeiten bzgl. Mundpflege oder auch Atemnot, waren an diesem Tag ein kleines Highlight.
Ich sage nur „Künstliche Spucke (Speichel)“ oder „Strohhalm“.
Das werden die Teilnehmerinnen sicherlich nie vergessen.
Morgen ist absehbar, dass Frau Anna Müller wohl „sterben wird“.
Abschiedskultur, Religionen und ihre Besonderheiten im Angesicht des Todes und eigener Umgang mit Trauer und Tod prägen den letzten Tag.
Die Reflektionsrunde ist dann immer ein wichtiger und sehr spezieller Teil, bei dem das Gelernte am Ende (vor der Zertifikatübergabe) von den Teilnehmerinnen präsentiert und nochmals kreativ umgesetzt wird.
Unsere fiktive Figur „Frau Anna Müller“ darf hier bei uns – umgeben von der Geborgenheit der Motivation, Liebe und Zuwendung sehr mitfühlender Menschen – ihre letzten Tage verbringen.
Das ist es, was ich mir für die Sterbenden unserer Gesellschaft wünsche: Linderung und Hilfe, Zuwendung und Empathie, in Würde den Weg gehen dürfen, Mitgefühl, Beistand, Lebensbejahung mit allen Möglichkeiten, die es gibt.
Ein „Mantel der Geborgenheit“ (Pallium), der schützend und bergend den Menschen bis zuletzt umfängt und ihm den Übergang des Sterbens erleichtert… das ist es, was Palliative Pflege geben kann.
Dieser Kurs und die ganze Fortbildung ist hoffentlich ein wichtiger Beitrag palliativer Praxis in einer Welt, die wenig individuell palliativ, sondern mehr allgemein lukrativ, ulitmativ attraktiv, … und überhaupt viel zu relativ und oberflächlich den Tod verdrängen oder gleich selbstbestimmt beschleunigen will, damit er möglichst wenig stört und wenig kostet.
Begleiten – statt beseitigen.
Betreuen und beistehen – statt bedrängen und beenden.
Mit-Aushalten – statt Rat und Tat zum Ausschalten.
Beistand im Sterben – statt Beihilfe zum Tod.
Richtig verstanden bedeutet das nicht, dass man mit Gewalt gegen den Tod vorgeht, sondern das Sterben begleitet.
Es bedeutet auch nicht, dass man den Tod herbeiführt, sondern ihm mutig entgegen geht und alles tut, dass das Sterben zum Leben gehört und nicht das Leben beendet wird.
Frau Anna Müller zeigt uns eine ganze Menge und fordert uns heraus.
Frau Anna Müller weckt in uns Ängste und stellt uns vor Probleme, die wir oft im Alltag vielleicht lieber verdrängen. Sie hilft uns aber auch gleichzeitig, Ängste aus der Grauzone zu holen, damit man sie bewältigen und nach Lösungen suchen kann und die Probleme anzugehen, die man vor allem in der Interaktion miteinander ganz anders betrachten kann.
Es gibt immer mehrere Möglichkeiten.
Ein sehr altes Wort ist hier sicherlich bedeutsam: „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen.“ (Dtn 30,19)